SIMONYI EMÖ - GYÖR - JÁSZBERÉNY - WEIMAR - 2011

Farbe, Kraft, Dynamik

Über die Kunst von Emö Simonyi

Was wir sehen, ist ein Wunder; und mit Freude entdecken wir, dass auch unterhalb der Wirklichkeit sich weitere Schichten befinden. Diese kann man sichtbar machen. Denn sind es die Visionen, die das Wirkliche, das im Psychischen gereift, voller Fieber, dem Ausdruck dienen? Äußere und innere Kräfte sind hier gleichermaßen in Aktion gesetzt. Ihre Wurzeln stecken, wie die eines jeden expressionistischen Künstlers in den Realien. In ihrer Universalität zwar unsichtbaren, aber – paradoxerweise doch – ertastbaren Welt.

Es handelt sich um die brillante Malerei, der seit mehreren Jahrzehnten in München lebenden Künstlerin, Emö Simonyi.

Diese Malerei nährt sich gleichermaßen von der Stammeskunst, wie von der der Expressionisten. Denken Sie an die unsterbliche Kunst der Brücke und der Blauen Reiter! Sie schöpft aus den tiefen Abgründen der Mythologie, durch ihre Leidenschaft nach dem Streben des unstillbaren Selbstausdrucks, kann aber auch auf Kinderzeichnungen zurück greifen. Ihrem Wesen nach ist sie aber deshalb so vital, weil sie durch das virtuelle Sieb der Künstlerin gefiltert wird.

Ihr Wesen, ihr Nervensystem, und natürlich ihre Bildung bilden den Katalysator zur Gestaltung.

Denn es kann noch so stark sein ihr Form- und Farberlebnis, ihre einfallsreiche zeichnerische Sicherheit , die sich bei Emö Simonyi vor allem auf die Anatomiekenntnisse stützt, wenn die Umwandlungs- Umsetzungsfähigkeit nicht funktioniert, tritt das Alpha und Omega jedweder Kunst nicht in Kraft. Ohne die Umsetzungsgabe bleibt jede Kunst charakterlos.

Bei Emö Simonyi ist glücklicherweise alles beisammen.

Farbe, Kraft und Dynamik, in die Mythologie greifende Wirklichkeit und poetisch formulierte Realien charakterisieren ihr Lebenswerk. Und das ganze wird von einem unglaublichen Vollständigkeitsanspruch getrieben, dessen Motor wie vom Fieber besessen funktioniert.

Der Tanz mit Masken ist deshalb so betörend, weil an dem Gesicht des Harlekin nicht nur das Mehl sichtbar ist, sondern man sieht auch die Nervenbündel unterhalb der Haut. Das Meer treibt Wellen, Tsunamis wüten, unter den Füßen der Kämpfer glüht der Boden (Ringkampf – 1985), (Rollschuhläuferinnen – 1985). Die Künstlerin liebt die zugespitzten Situationen, deshalb kommt oft die Manege vor. Wenn sie angespannte Gleichgewichtszustände darstellt, dann sind es immer Kraftproben der Dargestellten. Schließlich passt diese Kraftprobe auch in das Groteske (Der blaue Löwe – 1997).

Nein, nicht nur die Kraft protzt hier, sondern auch die sonderbare Existenz, die in die Konsumrealität Leben haucht. (Cena – 2010; Fülle – 2011). Als würde sie in der Wüste eine Oase schaffen. Und diese schöpferische Kraft lädt sich von der Mythologie auf und haucht Leben in die Satyrn (Bacchanalien I.-V. – 2009), ehrt die Evangelisten und die Bauern, und dem Kult der Schönheit opfernd erhebt die Flamingos (2008) zu Königinnen, die Badenden I.-II. (1996) werden mit einer Aura umrankt.

Auch die einheimischen Geschöpfe und Gebräuche werden auf ein Piedestal erhoben. Die ungarische Landschaft wird expressiv, in Farborgien formuliert. Die Landschaft ist idyllisch, die Wirklichkeit märchenhaft. Fast im Liebesfieber lebt der Hühnerhof. (Balz, Majestät, Hühnerhof IV.-V.). Die Weide, und die genannten Bilder sind 2010 auf dem Künstlersymposium in Jászdózsa entstanden. Die Farben erinnern an die Dichtkunst von János Arany (Grautöne, Abend, Morast, Tango).

Das gestalterische Konzept von Emö Simonyi kennt keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Bildern, es gibt nur dynamisches Pulsieren, das die Gefühle sichtbar macht. Der verschraubte Körper, der sich von seinen Muskelballen nicht befreien kann, sei die Kreuzigung auch noch so symbolisch, ist niemals ein in den Golgota-Hügel involvierter Korpus, sondern ein mythologisches Ungetüm, mit menschlichem Gesicht, Darsteller von „menschlichem“ Bestiarium, pure Realität.

Über ihre gigantischen Karton-Figurationen, die sich mit Picassos Puppen messen lassen, lässt sich das Gleiche sagen. Auch die schwarz-weißen Tuschezeichnungen fügen sich in diese Reihe. Die Mutter-Kind Darstellung (1989) geht weit über die übliche Liebesbeziehung hinaus, es lässt eine Art urmenschlich-tierische Vitalität spüren. Ebenfalls in diesen Deutungsbereich gehört der Evangelist, der über die Stadt fliegt (Evangelist II – 1989) Spiegeln diese Gestalten Wagners flammende Mythologien wieder? Eher die nächtliche Sonne: die kosmische Kraft des Lichtes. Macht diese Bilder die bravuröse Linienführung, die dynamische Flächengestaltung so kraftvoll und spannend? Sie explodieren. Die Meisterin kennt die Anatomie und die Psychologie des Körpers. Ebbe und Flut, groteske Seinsverherrlichung, und die Fleisch-trächtigen Fesseln (Bacchus – 1989) sind im erfindungsreichen Kontrast ineinander verflochten, zeugen von der geheimnisvollen Suche nach dem Ich.

Ein unglaubliches Terrain der Mythologie wird bespielt (Nachmittag eines Fauns – 1990; Minotaurus – 1991), eingeflochten wird die modernisierte italienische Renaissance (Schlachtschiff I.-II. – 2007). Es wird kein Unterschied gemacht zwischen den Techniken (Öl, Leinwand, Tusche, Tempera, Papier) und zwischen den Größen (280 x 195, 190 x 240 und 27 x 40, 30 x 41).

Die Künstlerin macht keinen Unterschied, denn ausschließlich zählt die Erregung die aus der Intensität, der Botschaft und der Selbstaufdeckung entsteht. Es zählt nur jener Zauber, mit dem der Betrachter überhäuft wird.

Emö Simonyi – obwohl sie schon viele Ausstellungen in Ungarn hatte – ist mit dieser Ausstellung endgültig angekommen.

Unsere Freude ist groß, denn wir werden mit einem unglaublichen Oeuvre bereichert.


Lajos Szakolczay

 

(übersetzt von Dr. Júlia Fabényi)


 

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