Seite R 6 / Süddeutsche Zeitung Nr. 143 ER/FR/LN

Der Klerus geht baden

Emö Simonyi in der Freisinger "galerie 13"

Freising _ Zum Abschluss der Saison präsentiert Fritz Dettenhofer mit den neuen Werken von Emö Simonyi einen fulminanten Höhepunkt, um nicht zu sagen einen veritablen Kracher. Die Münchner Künstlerin stellt bereits zum 6. Mal in der Galerie am Vogelherd aus und wer ihren Werdegang verfolgt hat, erkennt zweifelsohne, dass ihr Werk nicht nur kraftvoller, sondern auch mutiger und damit frecher geworden ist.
Nach wie vor dreht sich ihr Schaffen hauptsächlich um das Menschenbild, inzwischen aber auf eine sehr provokante, wenn gleich auch ebenso satirische Weise. Das, was sie da zeigt, zumal in einer ehemaligen Bischofsstadt, wäre noch vor 100 Jahren undenkbar gewesen. Schließlich gibt es jede Menge nackter kirchlicher Würdenträger zu sehen, die in der Pracht ihrer ganzen Leibesfülle genüsslich ein Bad nehmen. Gut, das Wasser ist bekanntlich der Quell des Lebens, selbst wenn es den Betreffenden teils schon bis zu den Hüften steht. Aber ebenso gut stellt sich bei deren Anblick die Frage, ob nicht vielleicht der Klerus in diesen heutigen Zeiten möglicherweise baden zu gehen droht.
Dieser Spagat zwischen altehrwürdiger Tradition und aufgeklärter Moderne setzt sich in der Malweise fort. Mit grellbunten Öltemperafarben und kraftvollem Duktus modelliert Simonyi lustvoll die Körper, die sie zu Gruppen wie auf einer Bühne inszeniert. Komposition und Perspektive aber lassen ihre akademische Herkunft erkennen, spiegeln die Errungenschaften italienischen Renaissance wieder. Dazwischenschwingt immer ein gehöriges Maß von barockem Lebensgefühl und der damit verbundenen Fleischeslust mit.
Neben diesen großformatigen Leinwänden sind eine ganze Reihe kleinformatiger Mischtechniken auf Papier zu sehen, die nur auf den ersten Blick harmloser wirken. Statt in der römischen Geschichte stöberte Simonyi dafür auf den Pariser Boulevards. Wo sonst ließe es sich schöner dem dekadenten "savoir vivre" des gut situierten Bürgertums auf die Spur gehen? Natürlich bieten das "Ritz" und der Figaro dafür vortreffliche Plattformen, aber eben auch ein "Diner", bei dem ein Paar jenseits jeder Etikette um ein und dieselben Spaghetti giert.
Recht viel moralischer geht es selbst in den üppigen Stillleben nicht zu. Simonyi nutzt auch diese klassische Form des Sinnbildes für die Vergänglichkeit für die schonungslose Gegenüberstellung von prallem Leben und Tod. Ein ums andere Mal findet sich zwischen den saftigen Früchten aus aller Herren Länder das unansehnliche Gerippe eines Perlhuhnes, welches am Ende nur noch die Lust der Katze weckt. So schließt sich der Kreis des Lebens, um sich ins unendliche fortzusetzen.

ELISABETH HOFFMANN

 

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